Come as you are

Es ist „Eating Disorders Awareness Week“ Habe ich auf Instagram gelesen.
Das Motto: Come as you are! Hindsight is 2020. Reflektiere die positiven Schritte, – trotz Rückschläge und Schwierigkeiten – die du gemacht hast, um dich selbst und andere zu akzeptieren.

Nachsicht mit mir selbst… Eine extrem schwierige Angelegenheit. Also eigentlich ein passendes Motto für 2020. Weil da muss ich noch einiges lernen. Mich selbst akzeptieren…. Eine ebenso schwierige Angelegenheit. Weil da muss ich auch noch einiges lernen. Ich habe das Gefühl, dieses „mich selbst akzeptieren“ ist eine meiner größten Baustellen.

Die Essstörung und ich. Wir haben uns nicht im Griff. Sie hat mich nicht (mehr) im Griff. Ich habe sie (noch) nicht im Griff. Es ist ein ständiges Kräftemessen, mal gewinne ich, mal sie. Es gibt Zeiten, da hat sie die Zügel in der Hand, es gibt Zeiten, da habe ich die Zügel in der Hand.

Als Kind war ich stark übergewichtig. Danach war ich die meiste Zeit untergewichtig. Momentan ist mein Gewicht im Normalbereich. Gedanken über Essen & Gewicht waren immer ein Teil meines Lebens. Aber doch eher ein „Nebenschauplatz“.

Mit 23 hatte ich meine schlimmste Phase was die Essstörung betrifft. Mein Leben bestand nur noch aus Zahlen, Kalorien, Sport, Gewicht, Essen und Nicht-Essen. Essen war das Größte und Schrecklichste zugleich. Ich habe Kochbücher gelesen wie Romane. Habe alles gewogen. Mich. Ständig. Und alles was ich gegessen. Habe gezählt, gerechnet, gezählt, gerechnet. Da war nicht mehr viel Platz für andere Dinge in meinem Kopf. Und genau das hat die Anorexie (und wahrscheinlich auch für viele andere) so verlockend gemacht. Die eigene Welt engt sich so sehr ein. Und das ist deprimierend und befreiend zugleich. Man denkt über „nichts“ mehr anderes nach. Nur noch über das Essen und Nicht-Essen, man hat eine „Aufgabe“, ein „Ziel“. Nichts hat mehr Gewicht. Außer das Gewicht. Außer die Zahl auf der Waage.

Während dieser anorektischen Phase habe ich auch die Bulimie kennengelernt. Und irgendwann angefangen mir „Fresstage zu gönnen“. Tage, an denen ich alles gegessen habe, was ich mir sonst verboten hatteUnd habe mir „Fresstage gegönnt“. Um danach zu erbrechen. Leider bzw. zum Glück war ich nie „Meisterin im Kotzen“ und oft bin ich auf den Kalorien sitzen geblieben. Diese Stunden über der Kloschüssel, literweise Wasser trinken, das Gefühl, dass mein Magen gleich explodiert, der Ekel, die Panik die Kalorien nicht rechtzeitig loszuwerden…… Es war ein Albtraum.

Eines Abends, nach so einem geplanten „Fresstag“, saß ich mit prallgefüllten Magen auf dem Rand der Badewanne, das Kotzen hat nicht funktionieret…. Und ich hab mich so unfassbar elend gefühlt. Das war der Zeitpunkt, an dem ich den Entschluss fasste, dem ganzen ein Ende zu setzen. Ich saß vielleicht noch nicht so tief in der Falle wie andere Menschen und hatte noch die Möglichkeit mich wieder rauszukämpfen.

Auch heute ist mir die Zahl auf der Waage nie egal. Ich fühle mich unwohl mit Normalgewicht. Aber in meinem Kopf und in meinem Leben ist auch Platz für andere Dinge. Die Essstörung ist ein Teil davon. Aber eben nur ein kleiner Teil. Und nicht mein Leben.

Ich bin aufgewacht aus diesem Albtraum. . Viele andere sind darin gefangen. Und es tut mir leid. Weil es ist schlimm. Und deswegen ist es so wichtig, darüber zu sprechen. Es ist wichtig, diese Krankheit ernst zu nehmen und sie nicht herunterzuspielen. Als„Diät“ die man jederzeit beenden kann, als einen Spleen von Menschen die zu viel Germany‘s next Topmodel gesehen… Die Wahrnehmung dieser Krankheit in der Gesellschaft ist teilweise immer noch drastisch verzerrt.

Manche Menschen sterben daran. Und die, die nicht daran sterben, die hindert die Essstörung am Leben.

An alle die kämpfen: Ich wünsche euch alle Kraft und allen Mut dieser Welt, damit ihr stärker sein könnt als die Essstörung! Ihr seid es wert!

Liebe Grüße,
die Angsthäsin

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